Vergänglich und doch bewahrt: Herbarien machen Pflanzen unsterblich. Sie sind konserviert, nicht im Foto, sondern echte Pflanzen auf Papier. Dort können sie Jahrhunderte lang bewundert werden und erzählen uns Geschichten über Entdeckung, Wissenschaft und Wandel. Willkommen in der stillen Welt der Herbarien.

Gepresst und getrocknet
Ein Herbarium ist eine Sammlung von Pflanzen oder Pflanzenteilen, die getrocknet und gepresst werden, um sie lange zu erhalten. Der Begriff leitet sich vom Lateinischen „herba“ ab, was so viel wie „Pflanze“ oder „Kraut“ bedeutet. In der Regel werden die konservierten Pflanzen auf einem Papier, dem Herbarbogen, befestigt. Idealerweise gehören dazu auch Früchte und Blüten, um alle Teile einer Pflanze abzubilden. Manche sperrige oder fragile Pflanzenteile können nicht gepresst und auf Papier geklebt werden, wie zum Beispiel Krustenflechten auf Steinen oder Strauchflechten – diese werden dann werden in Schachteln gelagert. Moose und Flechten hingegen sind so klein, dass es Platzverschwendung wäre, sie auf ein Papier zu kleben. Daher bewahrt man sie zusammengepresst in Umschlägen, sogenannten Kapseln, auf.
Außerdem werden die Herbarbelege mit wichtigen Informationen versehen, wie zum Beispiel der Pflanzenart und ihrer Familie, aber auch dem Fundort, dem Funddatum und dem Namen des Sammlers oder der Sammlerin. Dies hilft bei der Bestimmung und dem Vergleichen verschiedener Arten. Du kannst ein Herbarium für den persönlichen Gebrauch anfertigen, sie dienen aber auch der wissenschaftlichen Forschung oder dem Unterricht.

Das Herbarium der Universität Göttingen
Die Universität Göttingen hat ein eigenes Herbarium, das aus 800.000 archivierten Pflanzen aus der ganzen Welt besteht. Sie kommen vor allem aus Deutschland, West-Indien und Südamerika. Damit ist die Göttinger Sammlung eine der größten und bedeutendsten Einrichtungen dieser Art in Deutschland! Unter den konservierten Pflanzen finden sich mittlerweile etwa 15.000 Typusbelege: Das sind die Sammlungsobjekte, anhand derer eine Art das erste Mal wissenschaftlich beschrieben wurde. Das bedeutet, die gefundene Pflanze wird als neue und eigene Art anerkannt.

Das Universitätsherbarium wurde 1832 von dem Botaniker Friedrich Gottlieb Bartling gegründet, beinhaltet aber historische Sammlungen, die noch viel älter sind. Dazu zählt zum Beispiel die von dem niederländischen Mediziner Abraham Wasteau gesammelte Kollektion “Herbarius Vivus”, die etwa um 1700 angelegt wurde und damit schon mindestens 300 Jahre alt ist! Die sechs ledernen Bücher wurden allerdings nie in das Hauptherbarium eingefügt.
Eine weitere historisch interessante Sammlung des Universitätsherbariums ist das Albrecht von Haller Herbarium von 1732. Dieses sammelte der Schweizer Doktor, Botaniker und Poet, bevor er Professor an der Universität Göttingen wurde. Außerdem gründete der Namensgeber des Albrecht-von-Haller-Pflanzeninstituts den Botanischen Garten der Universität.

Mehr als nur trockene Pflanzen
Jede einzelne Pflanze des Göttinger Universitätsherbars dient als Forschungsobjekt für die Wissenschaft und erzählt uns mehr über unsere Welt. Zum Beispiel dient sie klassischen botanischen Studien: Pflanzenarten werden beschrieben, nachgezeichnet, benannt und systematisch eingeordnet und können dabei miteinander verglichen werden. Welche Arten wurde wo und wann gefunden? Wie sehr ähneln sich Pflanzenarten einer Familie? Wie unterschiedlich sind einzelne Individuen einer Art? Welchen Wandel können wir beobachten?
Darüber hinaus werden sie für molekulare Untersuchungen verwendet: Kleinste Pflanzenteile reichen, um mehr über Evolution und Biogeografie zu erfahren, also die Verteilung von Lebewesen und Ökosystemen über geografische Räume und Zeiten hinweg. Herbarien können also für ganz unterschiedliche Fachbereiche wichtig sein. Sie sind stille Archive der Pflanzenwelt – und zugleich lebendige Werkzeuge für Forschung, Lehre und Erinnerung. Dadurch tragen sie aktiv dazu bei, Wissen zu generieren und weiterzugeben.

Die Pflanzenbelege werden unter Wissenschaftler*innen sogar international ausgetauscht! Außerdem nimmt das Universitätsherbarium an einer weltweiten Initiative teil, bei der wichtige Pflanzenteile gescannt und einer Online-Datenbank hinzugefügt werden. Das erleichtert und beschleunigt den internationalen Austausch enorm.
Einige der Herbarbelege und Pflanzenzeichnungen kannst du sogar im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen bestaunen. Außerdem findest du das Universitätsherbarium auf unserer Website im Online Sammlungsschaufenster. Noch ausführlichere Fakten, spannende Neuigkeiten und wie du Teil des Freiwilligenteams für das Herbarium werden kannst, findest du auf der Website des Department of Systematics, Biodiversity and Evolution of Plants (with Herbarium), dem Fachbereichs für Systematik, Biodiversität und Evolution von Pflanzen.